Im Herbst 2015 gibt der SCC bekannt das es für den Berlin Marathon 2016 erstmals die Möglichkeit einer Teamregistrierung geben wird. Ich nutze die Gelegenheit und melde Matthias und mich für das Losverfahren an. Wird sicher nicht klappen, bei zig tausend Bewerbern. Im Dezember dann die Mail vom Veranstalter….herzlichen Glückwunsch. Sie erhalten einen Startplatz! So richtig weiß ich nicht ob ich mich freuen soll. Aber gekniffen wird nicht. Das Vorhaben steht, wir treten an. Marathon laufen, ein verrückter Traum.
Als Trainer Matthias mir im Juni meinen Trainingsplan überreicht finde ich den gar nicht so schlimm. Aber der Teufel steckt im Detail. Anfang Juli geht es los. Ich laufe 4x pro Woche. Ich laufe morgens um 5:00 und abends um 10:00, sonntags um 6:30. Ich laufe bei Regen und Gewitter oder bei Hitze. Ich laufe im Urlaub im unwegsamen, bergigen Gelände. Meine Familie liegt entspannt am Strand, ich schnüre meine Laufschuhe. Ich laufe nach 10 h Autofahrt oder morgens vor der Einschulung meiner Tochter. Am schwierigsten ist es Familie, Arbeit und diesen Trainingsplan unter einen Hut zu bekommen. Ich laufe jeden der über 600 Trainingskm allein. Ein gemeinsames Training mit Matthias ergibt sich nie und alles andere ist nicht plankonform. Aber ich verliere mein Ziel nicht aus den Augen. Ich will diesen Marathon schaffen, möglichst in unter 4h, so lautet die Vorgabe von Matthias. Nach fast 12 Wochen schwinden die Kräfte, ich fühle mich langsam. Ich bin am Limit, und fange mir auch noch eine Erkältung ein. Frust macht sich breit. Viel Motivationarbeit von Matthias ist nötig, um mich bei Laune zu halten. Einen Tag vor dem Event geht es mir besser. Ich schöpfe Mut und kann wieder an mich glauben.
Am Morgen des Marathons geht die Fahrt um 7:00 morgens los. Die Bahn füllt sich schnell mit Läufern aus allen Herren Länder. Am Hauptbahnhof Unmengen von Sportlern. Ich bin ganz schön aufgeregt. Umziehen und Klamotten abgeben, dann ab in den Startbereich. Sören und Jona haben sich zu uns durchgekämpft. Es tut so gut nochmal bekannte Gesichter zu sehen.
Der Startschuss fällt, los geht’s. Ich bin unsicher wie es wird. Aber sicher das ich es schaffe. Unglaublich wie viele Menschen laufend unterwegs sind. Unfassbar diese Schar an Zuschauern, Musikern und laufbegeisterten Fans. Kein Vergleich zu den einsamen Läufen der letzten Wochen. Am Strausberger Platz bei km 12 steht meine Kollegin. Ich freue mich riesig. Weiter geht es quer durch die Stadt. Bei etwa der Hälfte der Strecke merke ich das ich das Tempo nicht halten kann. Das Treffen mit unserem persönlichen Streckenposten Jana gibt zwar Kraft und neuen Schub, aber ich habe Mühe meinen Kreislauf mit Energygel und Traubenzucker unter Kontrolle zu halten. Matthias dabei nicht zu verlieren stresst mich, und ich will ihm auf keinen Fall seine vorgenommene Zeit verderben. Wir trennen uns, und jeder läuft sein Rennen. Der zweite Teil wird hart, die Beine schmerzen und meine Füße brennen. Ich zwinge mich zum weiter laufen und verbiete mir stehen zu bleiben. Jede Verpflegungsstelle nutze ich um Kraft zu schöpfen. Ein bekanntes Gesicht bei km 30 drückt mir einen Wasserbecher in die Hand. Du siehst gut aus, du schaffst das. Na wenn ein erfahrener Läufer das sagt, muss es stimmen. Ich halte Ausschau nach dem Mann mit dem Hammer, damit ich ihm rechtzeitig eins verpassen kann. Ich werde bockig weil mir das laufen immer schwerer fällt und muss um jeden km kämpfen. Aufgeben kommt nicht in frage, und so schlecht wird die Zeit nicht werden. Die Zuschauer sind der Wahnsinn. Soviel Zuspruch auf jedem Meter. Ich schaffe es, komme am Gendarmenmarkt vorbei. Jetzt ist es nicht mehr weit. Kurz vor dem Brandenburger Tor steht Jana wieder an der Seite. Wo kommt sie denn her? Dann höre ich meinen Mann und die Kinder rufen…die wollten doch gar nicht her kommen. Ich schaffe es nicht darüber nachzudenken. Freue mich einfach nur und versuche die letzten Meter zu genießen. Schwierig bei den Schmerzen die ich inzwischen habe. Ich bekomme meine Medaille, werde beglückwünscht. Vorbei und gefinished. Ich bin ein Marathoni. I am Berlin. Unfassbar in den ersten Minuten. Stolz mache ich mich auf die Suche nach meinem Lieblingsstreckenposten Helmut, der heute hier die Wärmefolien verteilt. Er freut sich riesig mit mir. Wieder zurück in den Teilnehmerbereich. Am verabredeten Punkt steht Matthias nicht. Er ist sicher längst raus und bei seiner Familie. Ich orte meine Familie und mache mich auf den Weg zu ihnen. Dann die Nachricht, Matthias ist jetzt auch im Ziel. Ich zucke vor Schreck zusammen. Da muss unterwegs was passiert sein. Ich hab ihn überholt und habe ihn nicht gesehen. Und seine vorgenommen Zeit ist total pfutsch. Krämpfe haben ihm wieder Probleme gemacht. Ich ärgere mich das er sich nicht bemerkbar gemacht hat. Zu zweit wäre es sicher leichter für ihn gewesen. Aber so gut kennen wir uns inzwischen und er wäre nicht mein Trainer Matthias, hätte er mir ein paar Minuten meines Ergebnisses geklaut. Am Tag danach schmerzen die Beine, die Olle Muskelkatze gibt alles, ich habe Blasen an den Füßen und laufe die Treppe zu Hause rückwärts runter. Aber das war es wert! Mit viel Willen und Selbstdisziplin hab ich Schweinehund, Hammermann und Muskelkater in Schach gehalten. Jetzt heißt es regenerieren und ein paar Tage die Füße still halten. Nicht sehr lange weil der nächste Lauf wartet